Interview mit Thomas Nowak (EHPA)

Neben dem Bund und den Bundesländern setzt auch die Europäische Union viele wichtige Rahmenbedingungen im Wärme- und Kältesektor. Aus diesem Grund vertritt die Europäische Wärmepumpenvereinigung (EHPA) die Interessen der Wärmepumpe als erneuerbare Heiztechnik in Brüssel. Der studierte Ökonom Thomas Nowak ist seit einigen Jahren Generalsekretär der EHPA - wir haben ihn zu einem Interview getroffen:

Herr Nowak, Sie sind selbst Besitzer einer Wärmepumpe und einer Photovoltaik-Anlage. Funktioniert das Zusammenspiel dieser Techniken auch im Alltag?

Salopp gesagt: „Soweit ich mich erinnere, ja.“ In den ersten paar Wochen des Betriebs hätte ich genau beantworten können, was sowohl Wärmepumpe als auch Photovoltaik gerade leisten. Heute schaue ich einmal im Monat ob alles läuft und profitiere ansonsten von einem komfortablen Klima, warmen Wasser und einer niedrigeren Stromrechnung. Im Sommer wird das Warmwasser fast ausschließlich mit selbst erzeugtem Strom erzeugt, im Winter zumindest an sehr kalten (und damit oft auch sonnigen) Tagen. Wir sind der Idee eines emissionsfreien Gebäude schon sehr nahe. Systeme dieser Art funktionieren zuverlässig und sind eindeutig marktreif. 

Wie hat sich der Markt für Wärmepumpen in Europa in den letzten Jahren entwickelt? Welche Trends zeichnen sich ab?

Wir beobachten ein kontinuierliches Wachstum über die letzten Jahre – seit 2015 wächst der Markt sogar zweistellig. Ein Wachstum in dieser Größenordnung ist langfristig realistisch. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Wachstumsraten von um 20% die Industrie nicht überfordern – Fertigungs- und Installationskapazitäten sind ausreichend vorhanden. Gleichzeitig ist dieses Wachstum aber nicht ausreichend, um die Klima- und Energieziele zu erreichen und den Heizungssektor schnell genug zu dekarbonisieren. Höhere Wachstumsraten sind möglich, benötigen aber flankierende Maßnahmen um die Installationsqualität zu erhalten, insbesondere brauchen wir mehr gut ausgebildete Planer und Installateure. 

Wärmepumpen erhalten zunehmend bessere Steuer- und Regelungseinheiten und werden mit Schnittstellen zum Gebäudemanagementsystem und zu den (intelligenten) Stromnetzen ausgestattet. Gebäude mit Wärmepumpen werden so zu „thermischen Batterien“, die ein aktives Management der Stromnachfrage ermöglichen. Sobald derartige steuerbare Lasten auch ökonomisch interessant werden, ergeben sich Möglichkeiten für neue Geschäftsmodelle. Diese werden das Marktwachstum weiter beschleunigen.

Welche Rolle spielt die Wärmepumpe in Deutschland im Vergleich zu den anderen europäischen Ländern?

Es ist erfreulich zu sehen, dass jetzt auch der Deutsche Wärmepumpenmarkt stärker wächst. Allerdings bleibt dieser Markt hinter seinen Möglichkeiten zurück. Hätten wir in Deutschland die gleiche Marktdurchdringung wie in z.B. Norwegen, dann hätte der Markt ein Volumen von weit über 1 Mio. Einheiten pro Jahr. Es wäre bestimmt ein guter Start, wenn die deutsche Bundesregierung die Einsatzmöglichkeiten von fossilen Energieträgern im Neubaubereich durch entsprechende Rahmenbedingungen massiv einschränken würde, wie es andere Länder auch schon angekündigt und umgesetzt haben. Wesentlich bleibt aber, dass die Anforderungen an Energieeffizienz und den Einsatz erneuerbarer Energien auch bei Renovierungsvorhaben ambitionierter werden –Wärmepumpensysteme, insbesondere Hybridgeräte, könnten hier schon heute einen größeren Beitrag leisten. Besonderes Augenmerk sollte auch auf den Einsatz großer Wärmepumpen zur deutlichen Erhöhung der Energieeffizienz in öffentlichen Gebäuden und industriellen Prozessen sein. Deutschland könnte hier noch deutlicher als Vorreiter in Erscheinung treten und die Entwicklung dieses Marktsegments vorantreiben.

Energiepolitik ist für alle europäischen Staaten ein existenzielles Thema – wie greift die Europäische Union hier ein und was hat sie in den letzten Jahren bewirkt?

Die Schaffung von sinnvollen Rahmenbedingungen, die eine Reduktion der Emissionen im Gebäudesektor bedingen ist essentiell. Die Europäische Kommission hat vor etwa einem Jahr das „Clean energy for all“-Paket vorgeschlagen und seitdem diskutieren die Mitgliedsstaaten und das Parlament. Positiv ist, dass der Endkunde ins Zentrum der Überlegungen gestellt wird. Mit der neuen Richtlinie zur Gestaltung des Strommarktes erhält er das Recht, von seinem Versorger einen Tarif mit dynamischem Strompreis zu fordern. So kann die Flexibilität, die Wärmepumpensysteme bereitstellen, zu einem Wert werden, der neue Geschäftsmodelle ermöglicht. Gut ist auch der spezielle Fokus, der in der Neufassung der erneuerbaren Energien Richtlinie auf Wärme und Kälte gelegt wird. Unzureichend hingegen sind die Anforderungen an Energieeffizienz und erneuerbaren Energien bei Renovierungsvorhaben. Da diese ca. 80% des jährlichen Marktvolumens ausmachen, ist ihre Adressierung essentiell, um Energiebedarf und Emission des Gebäudesektors maßgeblich – im Endeffekt auf null – zu reduzieren.