Das erste Glas sollten Sie der Zielsetzung gönnen: Die EU hat sich bis 2020 u.a. zum Ziel gesetzt, 20 Prozent weniger Energie zu verbrauchen. Bis 2030 sollen die Mitgliedsstaaten nach Plänen der EU-Kommission 30 Prozent einsparen.

Nach dem ersten Glas sollte der Sommelier bereits den Bestand des Weinkellers prüfen. So einige Ministerinnen und Minister werden heute tiefer in die Flasche schauen müssen, da etliche Mitgliedsländer bei der Umsetzung der 2020-Richtlinie hinterher hinken. Anhaltspunkte wieviel konsumiert werden muss, liefert die heute u.a. von der TU Wien und der Energy Economics Group veröffentlichte Studie (EU Tracking Roadmap 2014 - Keeping Track of Renewable Energy Targets towards 2020). Diese kommt zu dem Ergebnis, dass 14 EU-Mitgliedsstaaten die fest vereinbarten 2020-Ziele verfehlen, wenn Sie ihre Politik nicht essenziell ändern und dass bei vier weiteren, so auch bei Deutschland, bezüglich der Zielerreichung Zweifel bestehen.

Nachdem die Ziele und der enttäuschende Status Quo der Umsetzung kurz thematisiert und die ersten Gläser geleert wurden, darf die deutsche Umweltministerin Barbara Hendricks gerne die Gründe für ein Mehr an Energieeffizienz rezitieren, scheinen diese doch mehrheitlich in Vergessenheit geraten zu sein. Eigentlich müsste diese Aufgabe den Ministern Dänemarks und Italiens vorbehalten sein, die diese schon beherzigen und wesentlich erfolgreicher an der Umsetzung der 2020-Ziele arbeiten, aber vielleicht erinnert sich Hendricks ja auch während des Vortrages ob der Wichtigkeit des Themas. Zumindest Ihr Ministerium, das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB), hat die Gründe noch nicht vergessen:

  • „weltweit steigt die Nachfrage nach Energie“;
  • „die Lage an den Energiemärkten spitzt sich zu, die Energiepreise steigen“;
  • „Unsicherheiten in vielen Förder- und Transitländern geben Anlass zur Besorgnis“;
  • „die zunehmende Verbrennung fossiler Energieträger beschleunigt den Klimawandel“;
  • „eine Ausweitung des Energieangebots ist teurer und langwierig“.

„Demgegenüber wirkt eine Steigerung der Energieeffizienz dämpfend auf die Energiepreise, senkt die Abhängigkeit von Energieimporten, wirkt Energieverteilungskonflikten entgegen - und mindert den Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid“.

Wie präsent ist Frau Ministerin Hendricks der – von der Europäischen Kommission im August wegen mangelnder Umsetzung der Energieeffizienz-Richtlinie versandte – „blaue Brief“? Bedarf es hierfür eines weiteren Glases, um diesen in Erinnerung zu rufen? Vielleicht bringt Frau Hendricks stattdessen aber auch Ihrem – eigentlich mit der Energiewende beauftragten – Ministerkollegen Sigmar Gabriel ein Fläschchen aus Mailand mit.

Oder hat sie die – von der mit dem Monitoring der Energiewende beauftragten AG Energiebilanzen im September veröffentlichten – Zahlen im Kopf? In dem Bericht „Ausgewählte Effizienzindikatoren zur Energiebilanz Deutschland“ wurde nämlich festgehalten,

  • dass sich die Energieeffizienz der privaten Haushalte je Quadratmeter Wohnfläche im Jahr 2013 gegenüber dem Vorjahr um 1,6 Prozent verschlechterte;
  • dass sich die Energieeffizienz auch im Sektor Gewerbe-Handel-Dienstleistungen (GHD), bei der Industrie und im Verkehrsbereich 2013 verminderte;
  • und dass der Indikator für den bereinigten Endenergieverbrauch als Ganzes für 2013 unter der Zielvorstellung der Bundesregierung, d.h. unter einer Verbesserung der Energieproduktivität von 2,1 Prozent im Jahr bis 2050, zurückliegt.

Wer weiß, möglicherweise genossen die Minister und Ministerinnen tatsächlich guten italienischen Wein; vielleicht half dieser auch so manchem Gedächtnis auf die Sprünge (allerdings besagen neuere Studien, dass für die anti-demenzielle Wirkung des im Rotwein enthaltenen Wirkstoffes Resveratrol 52 Flaschen am Tag konsumiert werden müssten); und vielleicht kulminierte das informelle Treffen in einer konstruktiven Vorbereitung des Treffens des Europäischen Rates am 23. und 24. Oktober 2014 in Brüssel. Zu hoffen wäre es, besteht doch dringender Handlungsbedarf und will der Europäische Rat doch den „neuen Rahmen für die Klima- und Energiepolitik“ fassen.

Eine lustige Pressekonferenz wäre ansonsten garantiert und hätte über die mangelhafte Energie-und Klimapolitik – einzelner Mitgliedsstaaten und der EU als solcher insgesamt – hinweggetäuscht (es heißt nämlich weiterhin, dass 3 Gläser Wein die Zunge lockern).

 

Nachtrag:

Deutschland wurde durch die zuständigen Staatssekretäre Jochen Flasbarth (für das BMUB) und durch Rainer Baake (für das BMWi) vertreten.