Expertenmeinung: Interview mit Alwin Otten

Heute begrüßen wir zum 16. Teil unserer Serie „Köpfe“ Alwin Otten, Geschäftsführer der gleichnamigen Alwin Otten GmbH aus dem niedersächsischen Meppen, einem Handwerksbetrieb mit mehr als 60 Jahren Erfahrung.
Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen, um uns einige Fragen zu beantworten! 


1.    Sind Ihrer Meinung nach nur die hohen Strompreise ein Hindernis für den Durchbruch der Wärmepumpe?
Nein, ich glaube, dass in erster Linie die hohen Installationskosten den Durchbruch der Wärmepumpe verhindern. Auch müssen wir auf die Situation der Gasheizung in diesem Zusammenhang blicken: Die Kosten für den Einbau einer Gasheizung lagen vor einem halben Jahr noch bei 5-6.000 Euro, mittlerweile zwar etwas höher, aber dennoch sind diese Kosten im Vergleich zur Wärmepumpe viel niedriger. Technisch ist die Wärmepumpe einwandfrei, aber wir finden oft rudimentäre Strukturen bei Objekten vor, sodass es nicht allein mit dem Einbau und der Inbetriebnahme einer Wärmepumpe getan ist.


2.    Was sind Ihre Gedanken zum jetzt gültigem GEG?
Ich finde, dass das GEG ein guter Ansatz ist, auch die erste Fassung war schon ein guter Ansatz. Leider kursieren viele Fehlinformationen und Falschmeldungen um das Gesetz. Ich denke, dass wir schon vor 20 Jahren mit dem Gesetz hätten starten müssen, denn jetzt stehen wir, was die Klimaziele angeht, unter Zeitdruck, der zu Unmut in der Bevölkerung führt. Es gibt meiner Meinung nach auch keine Alternative zum GEG, falls eine künftige Regierung das Gesetz rückabwickeln möchte.
Die vielbeschworene „Technologieoffenheit“ halte ich für fadenscheinig. Holz beispielsweise, gehört für mich nicht zu den Erneuerbaren Energien.


3.     Wie lange wird es Ihrer Meinung nach dauern, bis die jährlich 500.000 anvisierten Wärmepumpen installiert werden?
Ich halte es frühestens ab 2026 für möglich, dass die anvisierten 500.000 Wärmepumpen pro Jahr installiert werden (können). Die Industrie hat zwar ihre Kapazitäten erhöht, aber das Handwerk ist derzeit komplett ausgelastet und auch wir kämpfen mit dem Fachkräftemangel.

4.    Wie viele Wärmepumpen pro Jahr installieren Sie?
Pro Jahr installieren wir ca. 80-100 Wärmepumpen.


5.    Wie lange brauchen Sie, um eine Wärmepumpe zu installieren?
Wir rechnen mit einer Arbeitszeit von 100-120 Monteurstunden, was ca. 10 Werktage bis zur Inbetriebnahme einer Wärmepumpe bedeutet. Allerdings bieten wir dem Kunden das Gesamtpaket an, das heißt, dass wir auch Photovoltaikanlagen parallel einbauen, wenn der Kunde dies wünscht. 


6.    Wem empfehlen Sie eine Wärmepumpe und wem nicht?
Ich halte grundsätzlich jedes Haus für Wärmepumpen geeignet, wir hatten jedoch auch schon Kunden, bei denen wir vom Wechsel auf die Wärmepumpe abgeraten haben, da die alte Gasheizung erst 4-5 Jahre alt war.


7.    Welche regenerative Heizung empfehlen Sie als Alternative zur Wärmepumpe?
Für mich gibt es keine Alternative im klassischen Sinn, höchstens eine Hybrid-Anlage.
Pellet- und Holzheizungen sind für mich keine nachhaltigen Lösungen, da der Rohstoff Holz gewonnen, verarbeitet und verbrannt werden muss und ich in einer Studie vor kurzem noch gelesen habe, dass höchstens 10 Prozent der Wohngebäude in Deutschland mit nachhaltiger Forstwirtschaft für eine Pellet- oder Holzheizung in Frage kämen.
Fernwärme halte ich bei den derzeitigen Konditionen für die breite Masse für unbezahlbar.
Ich habe bisher in meinem privaten Haus für 160 Quadratmeter Wohnfläche knapp 400 Euro pro Monat für die Fernwärme bezahlt, was umgerechnet mehr als 25 Cent die Kilowattstunde bedeutet. Ich habe das Haus im Laufe des letzten Jahres auf eine Wärmepumpe umgestellt und zahle jetzt knapp 80 Euro im Monat. 


8.    Wird Ihrer Meinung nach Wasserstoff jemals beim Heizen eine Rolle spielen?
Ich glaube nicht, dass Wasserstoff im Gebäudebereich jemals eine Rolle spielen wird, da zunächst einmal keine Wasserstoff-Infrastruktur vorhanden ist und diese in kürzester Zeit erschaffen werden müsste. Aber auch praktisch macht es keinen Sinn, Wasserstoff zum Heizen zu verwenden, da man das Fünffache an Energie aufwenden muss, um die Menge an Nutzenergie zu gewinnen. Außerdem würde der angestrebte Import von Wasserstoff aus Afrika oder Südamerika hohe Importkosten mit sich bringen und möglicherweise neue Abhängigkeiten von fragwürdigen Regimes schaffen.


9.    In der Wärmepumpenbranche und im Handwerk allgemein herrscht Fachkräftemangel.
Was können Politik, Gesellschaft und auch Unternehmen wie Ihres dagegen tun?

Das Handwerk braucht generell ein besseres Image in der Gesellschaft! Wir als Gesellschaft müssen weg vom Märchen, dass man studiert haben muss, um ein gutes Leben mit einem guten Einkommen zu führen. Ich glaube nicht, dass sich der Fachkräftemangel durch Abwerbung aus anderen Branchen lösen lässt. Es fehlen Menschen in allen Branchen. Allerdings glaube ich schon, dass man das Handwerk durch Influencer als „cool“ bei den jungen Leuten präsentieren und diese so anwerben kann.

10.    Was tun Sie, um qualifiziertes Personal zu halten, bzw. zu gewinnen?
Bei uns gibt es das „volle Programm“, betriebliches Gesundheitsmanagement, E-Bike-Leasing, Tankgutscheine, ein gutes Betriebsklima, betriebliche Altersvorsorge und eine faire und gute Bezahlung. Ich schmunzle zudem etwas über die nun diskutierte Vier-Tage-Woche, da wir diese schon seit mehr als 25 Jahren praktizieren: Wir sind 65 Mitarbeiter, ein Teil der Mitarbeiter arbeitet von Montag bis Donnerstag 9,5 Stunden, der andere Teil arbeitet von Dienstag bis Freitag ebenfalls 9,5 Stunden. Bis vor kurzem wurde allerdings noch 10 Stunden an vier Tagen in der Woche gearbeitet.
Um junge Menschen für uns zu begeistern, haben wir Kooperationen mit Schulen, besuchen Ausbildungsbörsen und haben ein gutes Social-Media-Team.

11.    Deutschland soll bis zum Jahr 2045 treibhausgasneutral sein. Denken Sie dass dies eintreten wird?
Grundsätzlich glaube ich schon, dass es politisch machbar ist, 2045 treibhausgasneutral zu sein.
Meiner Meinung nach braucht man jedoch eine gesamtgesellschaftliche Vision, bzw. ein Ziel, an dem man sich orientieren kann und muss und die entsprechenden Maßnahmen ergreifen. „Wischiwaschi“ bringt uns in der Hinsicht nicht weiter; es braucht eine klare politische Agenda sämtlicher Akteure.


Vielen Dank für das Gespräch, Herr Otten!