Dipl.-Ing. Bernd Dechert

Expertenmeinung zu Klimaschutz, Energiewende und Digitalisierung

Herr Dechert, die Bundesregierung hat mit den Eckpunkten für das Klimaschutzprogramm 2030 ihren Plan für die Erreichung der Klimaschutzziele vorgelegt. Wie bewerten Sie die Ergebnisse aus Sicht des Elektrohandwerks?

Bernd Dechert: Als Zentralverband der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH) begrüßen wir es grundsätzlich, dass die Bundesregierung mit ihrem Klimaschutzpaket endlich ein umfangreiches Maßnahmenpaket vorgelegt hat, das zur Erreichung der Energiewendeziele beitragen soll. Von der damit einhergehenden zunehmenden Elektrifizierung vieler Bereiche werden die Elektrohandwerke aller Voraussicht nach profitieren. Nichtsdestotrotz hätte sich der ZVEH insgesamt jedoch ein mutigeres Vorgehen und ambitioniertere Ziele hinsichtlich des Klimaschutzes gewünscht. Das gilt für die Senkung der Stromkosten ebenso wie für den Aufbau von privater Ladeinfrastruktur im Bereich Elektromobilität. 

Wir befürworten die Senkung der Stromkosten, mit der die Regierung der Forderung des Verbandes nach einer gerechteren Verteilung der Kosten für die Energiewende nachkommt. Allerdings fällt die Senkung unseres Erachtens zu gering aus und ist somit für die Bürger kaum spürbar. Der ZVEH begrüßt es zudem, dass Elektromobilität innerhalb des Paketes eine wichtige Rolle spielt. Die Maßnahmen zur Förderung der privaten Ladeinfrastruktur, werden indes als nicht ausreichend empfunden. Da der Ladeprozess zu großen Teilen im privaten Bereich erfolgen wird, wären hier andere Anreize als lediglich der „Handwerkerbonus“ notwendig gewesen, um in größerem Stil zum Ausbau der Infrastruktur beizutragen. Positiv zu bewerten ist indes die Beseitigung rechtlicher Hürden im Wohnungseigentums- (WEG) und Mietrecht, weil diese den Ausbau von Ladeinfrastruktur im privaten Bereich fördert.

Erfreulich ist auch die Neuorganisation der Fördermittel in einer Bundesförderung für effiziente Gebäude. Die Programmentwürfe enthalten hierzu einige gute Ansätze. So will die „Bundesförderung für effiziente Gebäude“ (BEG) Digitalisierungsmaßnahmen zur Verbrauchs- und Betriebsoptimierung im Rahmen von Smart Home-Lösungen (Efficiency Smart Home) zukünftig eigenständig fördern. Vor dem Hintergrund der bevorstehenden starken Elektrifizierung fehlt uns jedoch ein ganzheitlicher Blick auf die elektrische Anlage. Wir stehen hier vor einem großen Sanierungsstau. Effizienzmaßnahmen und auch Maßnahmen in der Sektorkopplung, die an die elektrische Anlage anknüpfen, lösen oft hohe Folgekosten aus. Dessen ist man sich aktuell noch nicht richtig bewusst. Unserer Auffassung nach sollte deshalb die Elektromodernisierung als separater Fördertatbestand aufgenommen werden. 

Was aus Verbandssicht im Klimaschutzpaket weiterhin zu wenig Berücksichtigung findet, ist die Bedeutung von Elektrosanierungen. Aktuell ist noch immer ein Großteil des Wohnungsbestandes mit elektrischen Anlagen ausgerüstet, die nicht den Anforderungen entsprechen oder die sogar komplett veraltet sind. Um die Energiewende voranzutreiben, müssen jedoch gerade diese Elektroinstallationen energiewendefähig gemacht werden. 
Anlagen zu modernisieren, ist enorm wichtig. Denn die Anforderungen an die Elektroinstallation als Herzstück eines Gebäudes werden – nicht zuletzt aufgrund der zunehmenden Nutzung smarter Technologien sowie aufgrund der mit der Energiewende verbundenen allgemein höheren Elektrifizierung – weiter steigen. Die elektrische Anlage muss darauf vorbereitet sein – und sehr flexibel reagieren können. Der ZVEH setzt sich daher dafür ein, die Überprüfungen der Elektroanlage stärker als bisher zu unterstützen. Erforderlich wäre außerdem eine spezielle Modernisierungsförderung, um das Bewusstsein für die Bedeutung dieses Gebäudebestandteils zu schärfen und gleichzeitig Anreize für eine Erneuerung zu schaffen. 

Bei der Umsetzung der Energiewende im Gebäudebereich, die bisher kaum stattgefunden hat, kommt dem Handwerk eine Schlüsselposition zu. Welche Herausforderungen hat Ihre Branche in diesem Zusammenhang zu meistern?

Bernd Dechert: Das Gebäude der Zukunft wird noch weitaus mehr als heute als „ein“ Gesamtsystem zu betrachten sein und nicht als eine Ansammlung unterschiedlicher Gewerke, die keinen Bezug zueinander haben. Diese Erkenntnis ist nicht neu und findet sich ansatzweise bereits in der Energieeinsparverordnung (EnEV), die diese Entwicklung Anfang des Jahrtausends einleitete.

Die Energiewende und das Klimapaket der Bundesregierung werden dazu führen, dass sich der Trend, Gebäude als System zu betrachten, noch erheblich verstärken wird. Das hat Auswirkungen auf alle am Bau und Ausbau beteiligten Handwerke, weil künftig viel stärker gewerkeübergreifend gedacht und gehandelt werden muss. Dies gilt insbesondere für die Elektrohandwerke, denn kein technisches Gewerk kommt heute mehr ohne Strom aus. Immer mehr Gebäude werden zudem als Ein-Energie Haus gebaut. 

Für die E-Handwerke kommt dieser Trend keinesfalls überraschend: Bereits 1998 wurde die Qualifizierungsoffensive „Fachbetrieb für Gebäudetechnik“ ins Leben gerufen, weil schon damals erkannt wurde, dass ein gewerkeübergreifender Ansatz, insbesondere für die Betriebe der E-Handwerke, der Schlüssel für eine erfolgreiche Zukunft sein würde. Mit der Novellierung der Meisterberufsbilder 2002 und der Novellierung der Ausbildungsberufe 2003 flossen viele gewerkeübergreifende Aspekte in die Aus- und Fortbildung ein. Die E-Handwerke waren damit früh für heutige Entwicklungen und Herausforderungen gewappnet. In einem nun angestoßenen Neuordnungsverfahren gehen wir nun konsequent den nächsten Schritt und schaffen den Beruf des Elektronikers für Gebäudesystemintegration. Dieser soll in der Lage sein, Gebäudekomponenten zu planen, aufeinander abzustimmen und in Betrieb zu nehmen. 

Die Neuordnung der Ausbildungsberufe bedeutet allerdings nicht, dass wir nach Abschluss des Verfahrens zur Neuordnung die Hände in den Schoß legen: Die Aus- Fort- und Weiterbildung muss noch erheblich verstärkt werden. Konkret heißt dies für den ZVEH und seine Mitgliedsorganisationen, dass die Betriebe immer wieder motiviert werden müssen, ihre Qualifikationen kontinuierlich an den neusten Stand der Entwicklungen anzupassen. Qualifizierung ist und bleibt der Schlüssel zum Erfolg. Das gilt heute mehr denn je!     

Die Themenfelder Smart Home, Smart Building, Energiemanagement und Gebäudesystemintegration nehmen an Bedeutung zu. Auch der steigende Absatz von elektrischen Wärmepumpen und E-Mobilität verändert den Gebäudebereich. Wie bereitet sich Ihre Branche darauf vor?

Bernd Dechert: Der bereits angesprochene Elektroniker für Gebäudesystemintegration wird – unter dem Aspekt der Systemintegration – auch den Energieverbrauch unter die Lupe nehmen, wo in der Regel Wärme beziehungsweise auch Kühlung und Klimatisierung den höchsten Anteil haben. Mit der Vernetzung und Abstimmung von Systemkomponenten reagieren wir auf Anforderungen von Energiewende und Digitalisierung. 

Mit dem neuen Ausbildungsberuf untermauert das E-Handwerk seinen Anspruch, erster Ansprechpartner in den Bereichen Smart Home, Smart Building, Energiemanagement, Elektromobilität etc. zu sein. Natürlich wird, wie schon erwähnt, auch der Fort- und Weiterbildungsbereich für die bestehenden Fachkräfte ausgebaut werden müssen. Wobei hier mit den Qualifizierungs- und Marketingoffensiven „Energieeffizienz Fachbetrieb“, „E-Mobilität Fachbetrieb“ und „Smart Home / Smart Building Fachbetrieb“ bereits entscheidende Grundlagen gelegt wurden. 

Der ZVEH präsentiert zudem seit ca. zehn Jahren auf Messen sein E-Haus. In diesem, 100 Quadratmeter großen, Modellhaus werden smarte Haus- und Gebäudetechnik auf höchstem und aktuellem Niveau gezeigt. Damit wollen wir einerseits den Betrieben zukünftige und sehr lukrative Geschäftsfelder aufzeigen und andererseits dem Endkunden auf spielerische Art und Weise verdeutlichen, welche Vorteile in Sachen Komfort, Sicherheit und Energieeffizienz ein Smart Home bietet. Denn eines ist klar: Smarte Technologie ist kein Selbstzweck. Der Anwendernutzen muss immer an erster Stelle stehen! 

Die Zahl der Ausbildungsverträge für den Beruf des Elektronikers sind in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Was macht die Attraktivität dieses Berufes aus?

Bernd Dechert: Über diese Entwicklungen freuen wir uns natürlich sehr. Die Gründe hierfür sind vielschichtig. Die Elektrotechnik und hier insbesondere die Energietechnik hat an Bedeutung und damit an Attraktivität gewonnen. Energiewende, Regenerative Energien, Smart Home / Smart Building Sicherheitstechnik – das alles sind Themen, die positiv besetzt und eng mit der Elektrotechnik verbunden sind. Das wirkt sich auf die elektrotechnischen Ausbildungsberufe aus. 

Nicht nur das Image, auch die Tätigkeiten innerhalb der Ausbildungsberufe haben sich verändert. Der Anteil der Arbeiten, die mit Hilfe eines Laptops auf der Baustelle oder im Bestandsbau ausgeführt werden, ist erheblich gestiegen. Das ist für junge, technikbegeisterte Menschen attraktiv. Hinzu kommt, dass die elektrohandwerkliche Organisation ihre Aktivitäten in Sachen Nachwuchswerbung mit der E-Zubi-Kampagne erheblich verstärkt hat. Das hat sicherlich zur Steigerung der Ausbildungszahlen beigetragen. 

Mit der Novellierung der bestehenden Ausbildungsberufe und der Schaffung des neuen Ausbildungsberufs „Elektroniker für Gebäudesystemintegration“ wollen wir die Attraktivität der Berufe im E-Handwerken weiter erhöhen und erhoffen uns davon eine nachhaltige Steigerung der Ausbildungszahlen, so dass wir den wachsenden Fachkräftebedarf decken können. Wir blicken sehr optimistisch in die Zukunft!

Dipl.-Ing. Bernd Dechert verantwortet seit 2001 als Geschäftsführer den Bereich Technik und seit 2006 zusätzlich den Bereich Berufsbildung im ZVEH, dem Zentralverband der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke. Auf dem 17. Forum Wärmepumpe spricht und diskutiert er zu den Herausforderungen des Handwerks. Mehr zum Forum Wärmepumpe finden Sie unter www.forum-bwp.de.