Herr Levermann, viele Klimaforscher halten das Zweigradziel für nicht mehr erreichbar. Auf welchen Temperaturanstieg müssen wir uns einstellen?

Weltweit arbeiten eine Reihe von Forschergruppen und Instituten an Klimasimulationen. Viele Modelle schauen nicht mehr nur bis zum Jahr 2100, sondern noch weiter in die Zukunft. Wir wissen mittlerweile, dass die Erde genügend Kohlenstoffreserven besitzt, um den Planeten bis 2200 um mehr als 10 Grad zu erwärmen. Bereits Ende dieses Jahrhunderts ist bei einem Fortgang der derzeitigen Entwicklung ein Temperaturplus von 5 Grad erreichbar und ohne Klimaschutzmaßnahmen geht es danach weiter nach oben.

Es gibt Menschen, die den Klimawandel bezweifeln, z.B. mit Blick auf die verhältnismäßig langen und kalten Winter der letzten Jahre.

Klimawandel bedeutet nicht, dass es überall und zu jeder Zeit immer wärmer wird. Die Auswirkungen des Anstiegs der Durchschnittstemperatur auf das Klima sind vielfältig. Die kalten Winter zum Beispiel sind kein Argument gegen den Klimawandel, sondern können durch eben jenen verursacht. Das hat etwas mit der Eisschmelze in der Arktis zu tun, die das Heransaugen kalter Luft nach Europa bewirkt. Die vom Menschen verursachte Erderwärmung kann wissenschaftlich heute nicht mehr bestritten werden.

Sie sagen, der Kampf gegen den Klimawandel ist nicht nur ökologisch, sondern in der globalisierten Welt vor allem ökonomisch notwendig.

Ganz richtig! Unser ökonomisches Netzwerk ist sehr anfällig, geradezu fragil. Das liegt daran, dass es auf Effizienz nicht auf Stabilität gegen äußere Störungen ausgerichtet ist. Ein Beispiel: 2010 kam wegen eines Vulkanausbruchs auf Island das Luftverkehrssystem Europas zum Erliegen. Eine Reihe altehrwürdiger Unternehmen standen am Rand des Bankrotts; 2011 wurde die IT-Branche weltweit  getroffen, da wichtige Produktionsstätten von Festplatten in Thailand von schweren Regenfällen überschwemmt wurden. Solche Ereignisse, selbst in den Fällen wo sie nicht vom Klimawandel verursacht sind, verdeutlichen die Verletzlichkeit unserer Zivilisation gegenüber Naturgewalten. Je wärmer der Planet wird, desto häufiger werden extreme Wetterereignisse auftreten, z.B. Dürren, Überschwemmungen oder Wirbelstürme. Diese werden die Weltwirtschaft zunehmend beeinträchtigen, da sie häufiger und mit immer stärkerer Intensität auftreten werden.

Sie sind der Meinung, dass es Grenzen für die Anpassung an den Klimawandel gibt – insbesondere im Kontext der Globalisierung. Wie erklären Sie das?

Unsere Zivilisation kann sich den immer häufiger auftretenden extremen Klimaereignissen nur bedingt anpassen. Was, wenn die Zeit zwischen den Extremen nicht ausreicht, die Schäden zu beseitigen? Wenn die schnelle Abfolge dieser Ereignisse die öffentlichen Haushalte an den Rand der Leistungsfähigkeit bringen? In der heutigen globalisierten Welt treffen uns klimabedingte Extreme auch aus entfernten Regionen – z. B. durch Lieferengpässe, den Wegfall von Produktionsstandorten oder Flüchtlingsströme nach Europa. Welcher Teil unserer Gesellschaft durch diese Ereignisse zuerst an seine Grenzen stößt, ob öffentliche Haushalte, Wirtschafts-, Finanz-, Rechts- oder politisches System, wird von Region zu Region unterschiedlich sein. Der Kampf gegen den Klimawandel ist längst zum Selbstschutz geworden.

Das Interview führte Tony Krönert, Referent für Qualitäts- und Veranstaltungsmanagement beim BWP.

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