Fraunhofer ISE: Barometer der Energiewende 2019

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Wo steht die Energiewende in Deutschland und wie lässt sie sich erfolgreich fortsetzen? Fraunhofer veröffentlicht »Barometer der Energiewende 2019«

Um das Energiesystem CO2-emissionsfrei zu machen, gibt es zu den erneuerbaren Energiequellen derzeit keine Alternative. Windenergie- und Photovoltaikanlagen bieten ein hohes technisches Nutzungspotenzial und liefern unmittelbar, effizient und günstig elektrischen Strom. Diesen gilt es auch weitgehend in den Sektoren Wärme, Kälte, Produktion, Mobilität und Transport für eine CO2-neutrale Versorgung zu nutzen. »Der Ausbau der erneuerbaren Energien schreitet voran, aber zu langsam. Wir sind nicht auf Kurs, um den Zielen des Klimaabkommens von Paris gerecht zu werden und die Energiewende in allen Sektoren tatsächlich zu schaffen«, stellen die Energie-Experten der Fraunhofer-Institute ISE, ISI und IEE mit dem »Barometer der Energiewende 2019« gemeinsam fest.

Um das Energiesystem CO2-emissionsfrei zu machen, gibt es zu den erneuerbaren Energiequellen derzeit keine Alternative. Windenergie- und Photovoltaikanlagen bieten ein hohes technisches Nutzungspotenzial und liefern unmittelbar, effizient und günstig elektrischen Strom. Diesen gilt es auch weitgehend in den Sektoren Wärme, Kälte, Produktion, Mobilität und Transport für eine CO2-neutrale Versorgung zu nutzen. »Der Ausbau der erneuerbaren Energien schreitet voran, aber zu langsam. Wir sind nicht auf Kurs, um den Zielen des Klimaabkommens von Paris gerecht zu werden und die Energiewende in allen Sektoren tatsächlich zu schaffen«, stellen die Energie-Experten der Fraunhofer-Institute ISE, ISI und IEE mit dem »Barometer der Energiewende 2019« gemeinsam fest.

Zubau bei Wind- und Solarenergie zu gering

Der Zubau in der Windenergie lag 2018 bei 3,82 GW Leistung für Onshore und Offshore zusammen (Brutto-Zubau, also Neu- und Ersatzinstallationen). Um die in Paris vereinbarten Klimaziele einer 95%igen Minderung von Treibhausgasen noch erreichen zu können, müssen wir nach unseren Szenario-Modellierungen diese Rate bis 2030 auf rund 11 GW pro Jahr, also etwa das Dreifache, steigern. Bei der Photovoltaik lag der Zubau in 2018 bei 2,3 GW. Hier muss der notwendige Zielzubau bis 2030 auf rund 8,5 GW pro Jahr, also etwa das 3,5 fache, wachsen«, bilanziert Prof. Hoffmann.

»Das deutsche Energiesystem verbrauchte 2010 über 4.000 TWh fast ausschließlich fossile Primärenergie, davon wurden 2.900 TWh importiert. Der zukünftige Hauptprimärenergieträger wird Strom aus Wind und Sonne sein. Und die direkte Stromnutzung bringt hohe Effizienzgewinne. Darauf muss die Energiewende ausgerichtet werden«, umreißt Hoffmann die Zielsetzung.

Gesellschaftliches Großprojekt

»Man muss sich immer wieder vor Augen führen, dass es sich bei der Energiewende um ein gesellschaftliches Großprojekt handelt. Schließlich wird eine unserer zentralen Infrastrukturen substantiell umgebaut. Mein Eindruck ist, dass viele politische Entscheidungsträger nach wie vor hinter den ambitionierten Zielen stehen. Jetzt offenbart sich, dass man dafür einen langen Atem benötigt und der Wandel etliche Implikationen mit sich bringt, sei es für die Gesellschaft oder auch die Landschaft. Daher benötigen wir eine klare Haltung, um die Energiewende weiter voranzutreiben. Diese hatte bislang sehr stark den Stromsektor im Blick. Verkehr und Wärmeerzeugung hinken dagegen hinterher«, so die Zwischenbilanz von Prof. Dr. Hans-Martin Henning, Leiter des Fraunhofer ISE in Freiburg und Sprecher der Fraunhofer-Allianz Energie.

Kosten drastisch gesunken

»Die Kosten für Photovoltaik und Windenergie sind in der ersten Phase der Energiewende drastisch gesunken – die Gestehungskosten sind mittlerweile konkurrenzfähig. Das haben wir erreicht, ohne das Versorgungssystem wesentlich umzubauen. Neben der fortlaufenden Technologieentwicklung ist nun der nächste große Schritt, die weiteren Sektoren einzubeziehen: etwa die Wärmeversorgung und den Verkehr mit Erneuerbaren zu bedienen, wofür diese jedoch drastisch ausgebaut werden müssen«, erklärt Henning.

Sektorenkopplung

»Wärmepumpen sind ein zentrales Bindeglied für die Kopplung von Strom- und Wärmesektor. Gebäude lassen sich damit effizient mit erneuerbarem Strom beheizen, weil sie zusätzlich zur eingesetzten elektrischen Energie bis zu drei weitere Anteile aus der Umweltwärme gewinnen. Zudem lassen sich Wärmepumpen auch zum Kühlen nutzen. Auch aus diesem Grund werden sie künftig eine größere Rolle spielen, wenn unsere Sommer heißer werden«, so Henning weiter. In Verbindung mit Wärmespeichern lässt sich der Strombezug flexibilisieren. Der Aufbau von kleinen Verbünden durch Nahwärmenetze und Wärmespeicher auf Siedlungsebene kann weitere Optimierungspotenziale bieten. Haupthindernis bei der Einführung dieser Technologien ist der teilweise große Aufwand für bauliche Veränderungen. Deshalb handelt es sich hierbei um einen langsamen, aber stetig voranschreitenden Umbau.

Das vielschichtige Thema Mobilität setzt komplexe Randbedingungen, die zu einem breiten Lösungsspektrum führen. Aus Effizienzgründen ist eine weitgehende Elektrifizierung anzustreben. Als Antriebssysteme für den Verkehr stehen unterschiedliche neue Konzepte zur Verfügung, wie batterie-elektrische Fahrzeuge und Brennstoffzellenfahrzeuge sowie unterschiedliche Hybridlösungen mit Verbrennungstechnik. In Verbindung mit neuen Leih- und Mietkonzepten sowie multimodalen Angeboten wird dies zu einer höheren Diversifizierung im Transportbereich führen.

Gut transportierbare synthetische Energieträger können vorteilhaft in Regionen mit sehr hohen Ressourcenpotenzialen für Solarenergie und Windenergie hergestellt werden. Diese Energieträger können gut transportiert und somit von Deutschland bzw. Europa importiert werden.

»Die elektrolytische Herstellung von Wasserstoff aus erneuerbarem Strom wird zu einer Schlüsseltechnologie. Einerseits können damit große Mengen ansonsten nicht nutzbaren erneuerbaren Stroms einer sinnvollen Nutzung zugeführt werden. Andererseits kann Wasserstoff in verschiedenen Anwendungsfeldern als Endenergie genutzt werden, z.B. im Verkehr, oder weiter konvertiert werden in chemische, synthetische Energieträger und Chemierohstoffe unter Hinzuziehung von Kohlenstoff aus CO2 oder von Stickstoff, beispielsweise zur Herstellung von Düngemittel«, ist Prof. Henning überzeugt.

Energiewirtschaft und Energiepolitik

Derzeit noch wichtiger als die technologischen Prozesse, die allesamt auf einem guten Weg sind, ist die Entwicklung der Randbedingungen für die Energiemärkte. Die meisten Technologien sind an der Schwelle zur Markteinführung. Da sie alle das Ziel haben, den CO2-Ausstoß der Energiewirtschaft zu mindern, müssen Instrumente so weiterentwickelt werden, um diesen Markteintritt zu befördern.

»Es sollte ein Marktdesign angestrebt werden, das zur Integration der Sektoren beiträgt, dem volatilen Charakter der erneuerbaren Energien als zukünftige tragende Rolle der Energieerzeugung gerecht wird und marktwirtschaftliche Anreize zur Reduktion von Treibhausgasemissionen setzt«, formuliert Prof. Ragwitz die Präferenz.

»Das europäische Handelssystem für Treibhausgasemissionsrechte (ETS) ist vom Grundsatz her ein gutes Instrument in diesem Sinne, da es die Mengen für derartige Emissionen hart begrenzt. Und es wurde im Jahr 2003 eine historische Einigung innerhalb der Europäischen Union zur Installation dieses Systems erzielt, so dass es sinnvoll ist, auf diesem Instrument aufzusetzen und es weiter zu entwickeln. Außerdem brauchen wir eine Reform der Steuern, Abgaben und Umlagen auf Endenergieträger, um Anreize für Lastverschiebungen, Sektorenkopplung und den Einsatz von Speichern zu geben«, so Ragwitz weiter.   

Das energiepolitische Dreieck leitet sich aus dem Energiewirtschaftsgesetz ab und benennt die Ziele der Energiepolitik mit Versorgungssicherheit, Umweltverträglichkeit und Wirtschaftlichkeit. »Zur Weiterentwicklung eines zukunftsfähigen – das heißt sicheren, nachhaltigen und bezahlbaren – Energiesystems sollten neben der Wirtschaftlichkeit auch immer die Aspekte Technologiesouveränität und Innovationsfähigkeit mitgedacht werden«, betont Hans-Martin Henning. »Ohne über die Wertschöpfungsketten für die Schlüsseltechnologien der zukünftigen Energieversorgung zu verfügen, wird es schwer gelingen, ein langfristig wettbewerbsfähiges und nachhaltiges Energiesystem aufzubauen«. Ein positiver Effekt der vorgeschlagenen Anpassung: Der deutsche Ansatz würde sich an den Aufbau des energiewirtschaftlichen Zieldreiecks der EU angleichen, in dem die dritte Säule mit »Competitiveness« überschrieben ist.

Bei der Energieversorgung handelt es sich um eine der wichtigsten Querschnittsbranchen der Volkswirtschaft. Deshalb sind wir der Überzeugung, dass es von substanzieller Bedeutung ist, dass Deutschland und Europa an der Forschung, Entwicklung und Umsetzung der zukünftigen Schlüsseltechnologien arbeiten und somit auch kritische Abhängigkeiten vermieden werden.

Zu den Schlüsseltechnologien im Bereich der Energiewandlung zählen aus heutiger Sicht vor allem Photovoltaik, Windenergie, Batterietechnik, Wärmepumpen, Wasserstofftechnik (Elektrolyse und Brennstoffzellen), Techniken zur Herstellung synthetischer Energieträger und Chemikalien sowie Carbon Capture Technologien (z. B. für die Polymerchemiesynthese). Dazu kommen Netztechnologien einschließlich Leistungselektronik sowie Digitalisierungstechniken und ihre Anwendung im Energiebereich.

Fazit: Sowohl bei Errichtung der technischen Infrastrukturen, der Behandlung der Akzeptanzfragen als auch der Anreizung der Investitionstätigkeit ist ein hohes Ambitionsniveau erforderlich.

»Die nächste Phase der Energiewende verlangt die umfassende Einbeziehung der Sektoren Verkehr, Wärme und Industrie in den Transformationsprozess des Energiesystems. Neben einem fortgesetzten Ausbau einer CO2-freien Energieerzeugung bedeutet dies eine umfassende und beschleunigte Sanierung von Gebäuden, die Elektrifizierung der Wärmeerzeugung und der Mobilität sowie die Entwicklung und Umsetzung CO2-emissionsfreier Industrieprozesse. Hier benötigt es ein hohes Ambitionsniveau, den politischen Willen und gesellschaftliche Akzeptanz, um die in Paris gesetzten Klimaziele zu erreichen« so das gemeinsame Fazit von Prof. Clemens Hoffmann, Prof. Hans-Martin Henning und Prof. Mario Ragwitz.

Zur Original-Presseinformation des Fraunhofer ISE mit weiteren Informationen.

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