„Ach, da gibt es doch dieses Lied von Rainald Grebe!“ Diesen Satz muss ich mir ständig anhören, wenn ich neuen Bekannten meine Herkunft aus Thüringen enthülle. Vergessen sind Wintersport in Oberhof und der Geschmack der Bratwürste. Nein, ein Youtube-Video bestimmt das Image meines Heimatlandes. Der Erfolg dieses Stücks ist wahrscheinlich direkt proportional zu seiner Boshaftigkeit und darum werden jedes Mal genüsslich einzelne Textpassagen zitiert. Treffen tut mich das nicht. Ich lache auch jedes Mal herzlich und das meiste ist (Bis auf den Hundeverzehr! Für solcherlei Skandale lieben wir unsere weltberühmten Fleischprodukte viel zu sehr!) gar nicht vollkommen aus der Luft gegriffen, sodass mir außer Selbstironie gar nichts anderes übrig blieb. Zumindest bisher, denn einiges kann ich seit dieser Woche ganz elegant kontern.

 „… das Land ohne Prominente“

Nun gibt es zumindest einen: Der Thüringer Wirtschaftsminister Matthias Machnig wurde in das Kompetenzteam von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück berufen. Dort ist er ab sofort für die Themen Umwelt und Energie zuständig und soll Peter Altmaier das Fürchten lehren. Je nach Wahlausgang könnte er sogar Leiter des Umwelt- bzw. eines neu geschaffenen Energieressorts werden. Wenn das also mal keine Prominenz ist.

Machnig gilt als „Kanzlermacher“, seitdem er 1998 und 2002 erfolgreich Gerhard Schröders Wahlkämpfe organisierte. Der „dunkle Lord“, wie er seit dieser Zeit genannt wird, war später Staatssekretär im Bundesbau- und unter Sigmar Gabriel im Bundesumweltministerium. Eine Art „Öko-Darth Vader“ zuständig für Klimaschutz und Energiewende – kann das gut gehen? Das kann man vielleicht beantworten, wenn man sein Bundesland ein wenig unter die Lupe nimmt.

„Das grüne Herz Deutschlands… Seit wann sind Herzen grün?“

Ganz grün ist es vielleicht noch nicht, aber es wird immer grüner. Das liegt unter anderem an den Thüringer Bauherren: Im vergangenen Jahr wurden 49% aller Neubauten im Freistaat mit einer Wärmepumpe beheizt. Damit ließ die Wärmepumpe alle anderen Heiztechnologien weit hinter sich. Allein Luft-Wasser-Wärmepumpen machten einen höheren Anteil aus (38,5%) als Gasheizungen (38%). Im Bereich Warmwasser ist die Dominanz noch größer – 45,6% Wärmepumpen gegenüber 30,7% Gas.

Thüringen liegt auch regelmäßig in der Spitzengruppe beim AEE-Leitstern und belegte zwischenzeitlich sogar den 2. Platz unter allen Bundesländern. Gänzlich unschuldig kann Machnig daran nicht sein, ist er doch seit 2009 in der Landesregierung für das Thema Energie verantwortlich. Trotz der erfreulichen Zahlen aus dem Neubau liegt aber auch in Thüringen in Sachen Wärmewende einiges im Argen, beträgt doch der Anteil der Erneuerbaren im Gebäudebestand gerade mal 12%. Doch das könnte sich jetzt ändern.

Energiewende nicht nur ein Stromprojekt

Im Februar machte die SPD, die das Bundesland in der Mitte Deutschlands in einer großen Koalition mit der CDU regiert, einen Vorschlag für ein Thüringer Erneuerbare-Energie-Wärmegesetz. Bis 2020 sollen Erneuerbare 25% der Wärme bereitstellen, bis 2030 55%. Um das zu erreichen, sieht der Text u.a. eine Nutzungspflicht für Bestandsgebäude vor, die von einer entsprechenden Förderung flankiert wird. Bei der Vorstellung des Konzepts sagte Machnig, die Energiewende dürfe „am Ende des Tages nicht nur ein Stromprojekt sein“, Wärme spiele eine Schlüsselrolle.

Was soll ich sagen, Recht hat der Mann! Von seinem Kabinettskollegen Bauminister Christian Carius, wurde der Gesetzesentwurf jedoch gleich als Bevormundung und Eingriff in die Wohnungsfreiheit geschmäht. Vorschläge, wie der Gebäudebestand aber ohne ordnungsrechtliche Vorgaben klimafit werden soll, beibt er allerdings schuldig. Er ist sogar stolz auf die bundesweit einmalige Sanierungsrate von 1,08 Prozent.

Da frage ich mich: a) wie soll es ohne ordnungsrechtliche Vorgaben gehen, b) was ist daran eigentlich so schlimm und c) ist man als am wenigsten Schlechter unter noch Schlechteren wirklich gut? Dänemark z.B. hat einfach mal fossile Heizungen verboten, ist also ungleich drastischer. Daneben gibt es ja auch Vorgaben bezüglich Brandsicherheit oder Denkmalschutz für Gebäude. Wenn der Staat die Erreichung solcher Vorgaben angemessen unterstützt, gibt es keinen guten Grund dagegen. Zumal sich alle Experten einig sind, dass es ohne eine Sanierungsrate von mindestens 2% unmöglich sein wird, die Klimaziele zu erreichen.

Für meinen Provinzstolz war es aber in jedem Fall eine ziemlich gute Woche und ich kann mir unsere inoffizielle Landeshymne jetzt noch viel gelassener anhören. Wenn Machnig es schafft, dem Thema Wärme – so wie in Thüringen – in der energiepolitischen Diskussion endlich zum Durchbruch zu verhelfen, dann würde es sogar ein ziemlich guter Wahlkampf.